1.

Mietgebäude der Wohnungsgenossenschaft Grüne Mitte
Kyritzer Straße 82, Hellersdorf

Im Februar 2019 brachte die Hellersdorfer Wohnungsgenossenschaft Grüne Mitte das Gedicht avenidas von Eugen Gomringer an der Fassade eines ihrer Gebäude in der Kyritzer Straße an. In schwarzen Lettern aus Metall wurde der Text in zwei Versionen – spanisch und deutsch – auf die weiße Außenwand des fünfgeschossigen Wohnblocks montiert (Abb. 1). Gut sichtbar für alle, die diesen Ort zu Fuß oder auf Rädern passieren – und gut sichtbar nicht nur bei Tageslicht, sondern auch nachts, wenn sich die Buchstaben, von ihrer Rückseite her illuminiert, in einen beleuchteten Schriftzug verwandeln. Was oben am Haus geschrieben steht, soll so zu jeder Zeit lesbar bleiben: ein Signal dafür, dass das Gedicht nunmehr „untrennbar mit Hellersdorf verbunden“1 sei, wie die Genossenschaft in einem Schreiben zur Fertigstellung der Installation erklärte. avenidas, 24/7.

Fast genau zwei Jahre später, an einem frühlingshaften Sonntag im Februar 2021, fahre ich von Kreuzberg aus in die Kyritzer Straße, um die Fassade und ihre Umgebung mit eigenen Augen zu sehen. Vom gegenüberliegenden Gehweg aus mache ich Fotos von den beiden Texten am Haus. Ringsum ist es ruhig: kaum Autoverkehr, nur vereinzelt kommen Passanten des Wegs, über allem liegt die Stille eines Wochenendes im Lockdown. Nichts erinnert in diesem Moment an die lauten und aufgeregten Debatten, die Gomringers Gedicht auf seinem Weg hierher begleitet, ja gleichsam in diese Nachbarschaft transportiert haben. Und nichts weist, in Anbetracht der Zeilen, darauf hin, wie viele Stationen das Gedicht auf jenem Weg durchlaufen hat, wie vielen anderen Orten der Stadt es zuvor schon physisch eingeschrieben wurde und wie vielfach es durch die digitalen Extensionen des urbanen Raums zirkuliert ist.

2.

avenidas – oder ciudad, wie der ursprüngliche Titel des Gedichts lautete – entstand im Jahr 1951 und wurde zunächst 1953 im ersten Heft der Schweizer Zeitschrift spirale publiziert, die Eugen Gomringer zusammen mit Marcel Wyss und Diether Roth herausgab.2 Ein Jahr später integrierte er den Text in sein wegweisendes Manifest „vom vers zur konstellation“, in dem er eine neue Dichtung auf der Basis kombinatorischer Prinzipien proklamierte und diese seinen Lesern sogleich exemplarisch vor Augen führte:

die konstellation ist die einfachste gestaltungsmöglichkeit der auf dem wort beruhenden dichtung. sie umfaßt eine gruppe von worten – wie sie eine gruppe von sternen umfaßt und zum sternbild wird. in ihr sind zwei, drei oder mehr, neben oder untereinandergesetzten worten – es werden nicht zu viele sein – eine gedanklich-stoffliche beziehung gegeben [sic]. […]

ein beispiel der konstellation: gegeben sind die sechs spanischen worte: avenidas (straßen), flores (blumen), mujeres (frauen), admirador (bewunderer), y (und), un (ein). die konstellation, die ich vorschlage, sieht so aus:

avenidas
avenidas y flores

flores
flores y mujeres

avenidas
avenidas y mujeres

avenidas y flores y mujeres y
un admirador3

Worum es in der Erzeugung poetischer Konstellationen – und im Fall dieser Konstellation – vorrangig geht, sind demnach Relationen der Nachbarschaft in einem verbal konstituierten Raum. Ausgehend von einem qua Selektion erstellten Repertoire sprachlicher Zeichen wird durch ein bestimmtes „Schema“ von sequentieller Kombination eine Ordnung konstruiert, in der die Wörter gerade aufgrund ihres spezifischen Neben‑, Unter- und Übereinanderstehens – also ihres physischen Zusammenseins als buchstäbliche Entitäten – in Beziehung zueinander treten. Analog zum Fall der aus Himmelskörpern gebildeten Sternbilder (deren „Fixierung“ gleichwohl nicht mit einer subjektiven Setzung ihrer einzelnen Elemente zusammenfällt) sollen Verhältnisse räumlicher Nähe zwischen Worten als „gedanklich-stoffliche“ lesbar, d. h. mit Bedeutung besetzbar werden. Bezogen auf avenidas hieße das: Der (semantische) Zusammenhang von „Straßen“, „Blumen“, „Frauen“ und „Bewunderer“ liegt dem Gedicht nicht voraus – weshalb dieses auch kein Gedicht „über“ eine andere, ihm äußerliche Wirklichkeit sein kann4 –, sondern stellt sich erst durch das „konkrete“ Arrangement der Zeichen im Rahmen der acht Zeilen her.5 Gewiss beschwört das dem Text zugrunde gelegte Wort-Repertoire Assoziationen zur literarischen Tradition herauf, namentlich zur Figur des (männlichen) Dichters als Flaneur im urbanen Milieu, wie sie seit Charles Baudelaire zum festen Bestandteil der Moderne geworden war. Doch evoziert avenidas diese Bezüge gerade indem es das poetische Verfahren der Konstellation – deren strukturelle Organisation nach einem ihr „innewohnenden Baugesetz“6 – exponiert. Was das Gedicht „zeigt“, wäre, so gesehen, gerade nicht (nur) eine Szene im Gefolge maskulin geprägter moderner Großstadtliteratur, sondern (vor allem) seine eigene „nackte sprachliche struktur“.7 „wie in der architektur“, so merkte Gomringer dazu an, „gilt für die sichtbare form der konkreten dichtung, daß sie gleich deren struktur ist [sic]“.8 Und gerade diese nach außen gekehrte Einheit von Erscheinung und Bauprinzip war es vielleicht auch, die ein Gedicht wie avenidas dazu prädestinierte, selbst zu einem Bestandteil architektonischer Räume und städtischer Straßenszenerien gemacht zu werden.

3.

Axel-Springer-Hochhaus
Axel-Springer-Straße 65, Kreuzberg

Am frühen Abend des 24. Januar 2018 liefen die Zeilen von Gomringers avenidas in riesigen Lettern über das LED-Display auf dem Dach des Axel-Springer-Hochhauses in Kreuzberg. Dort, wo normalerweise eine Mischung aus Nachrichtenticker und Werbeprogramm die Blicke der Passanten auf sich zieht, leuchtete das Gedicht in einer 20 Sekunden dauernden und als Loop programmierten Animation vor dem bereits dunklen Berliner Himmel auf. Zur gleichen Zeit setzte der Konzern einen Tweet mit einem Videoclip der Aktion ab, und die Online-Ausgabe des Springer-Organs B.Z. titelte: „Axel Springer zeigt, was die Berliner nicht sehen sollen.“9 Mit dieser als „Zeichen des Protests“10 inszenierten Unterbrechung des üblichen Zyklus aus Schlagzeilen und Reklamespots – einer Intervention, die gleichwohl umgehend selbst als Nachrichtenwert verkauft wurde – bezog das Medienunternehmen multimediale Stellung gegen eine als Angriff auf die „Freiheit der Kunst und Poesie“11 gewertete Entscheidung, die tags zuvor in einem anderen Teil Berlins gefallen war. So hatte am 23. Januar die in Hellersdorf angesiedelte Alice Salomon Hochschule für Soziale Arbeit, Gesundheit und Erziehung beschlossen, Gomringers Gedicht von der Fassade ihres Gebäudes zu entfernen, an der es – als Schenkung des Autors – seit 2012 zu sehen gewesen war.12 Den Auslöser für diesen Beschluss hatte eine von Studierenden im Sommer 2017 eingebrachte Beschwerde geliefert, avenidas stelle die Fortschreibung einer „patriarchalen Kunsttradition“13 und den Ausdruck eines sexistischen, weil objektivierenden Frauenbilds – und somit einen höchst unpassenden Text für die institutionelle Außendarstellung – dar. In der Folge gewannen die intern begonnenen Diskussionen um eine mögliche Neugestaltung der Fassade schnell öffentlichen Charakter: Die Hochschule und (ihr Verhältnis zu) Gomringers Gedicht wurden zum Mittelpunkt einer breit und überaus kontrovers ausgetragenen Debatte, die weit über die Grenzen Berlins hinausstrahlen und die deutschen Feuilletons über Monate hinweg beschäftigen sollte.14

Für die innerhalb der Stadt geführte Auseinandersetzung blieb indes kennzeichnend, dass sich mit den ästhetischen und politischen Dimensionen der Diskussion immer wieder auch Fragen von spezifischer Lokalität verknüpften. So etwa schon im Fall der medienwirksam lancierten Reaktion vonseiten des Springer-Konzerns, die den Konflikt ganz dezidiert durch die Kontrastierung zweier Örtlichkeiten in Szene setzte: Hier die weithin sichtbare Präsentation von avenidas auf der „größten LED-Wand Europas“,15 die den Text gleichsam ins Herz der Hauptstadt holen und dort über (fast) allem erstrahlen lassen sollte; dort hingegen die geplante Auslöschung derselben Zeilen an der Hochschulfassade, „17 Kilometer weiter“,16 am Rande Berlins. Der (unterstellte) Widerstreit von Kunst- und Meinungsfreiheit auf der einen und political correctness bzw. „Zensur“ auf der anderen Seite wurde so mit dem Gegensatz von Zentrum und Peripherie verschränkt und als Differenz zweier Nachbarschaften verräumlicht: Was in Hellersdorf davorstand, den Blicken entzogen zu werden, sollte an der Grenze von Kreuzberg und Mitte (und zugleich: auf der früheren Grenze zwischen West und Ost) in einem symbolischen Akt des Widerstands umso größere – und digital vervielfachte – Wahrnehmbarkeit erlangen.

4.

Max Liebermann Haus
Pariser Platz 7, Mitte

Die Strategie einer kontrastierenden Kodierung von Lokalitäten blieb kein Einzelfall in der bald als „Berliner Gedichtekrieg“17 bezeichneten Kontroverse um avenidas. Nur einen knappen Monat nach der Springer-Aktion gab die Stiftung Brandenburger Tor eine Pressemitteilung heraus, in der sie ankündigte, Gomringers Gedicht in temporärer Form an der Fassade des Max Liebermann Hauses, in unmittelbarer Nähe zum Brandenburger Tor, zu installieren, um dem Text dadurch „an einem der bedeutendsten Plätze Berlins“18 zu neuer Geltung zu verhelfen: „Noch bevor die geplante Übermalung das Gedicht von Eugen Gomringer in Berlin-Hellersdorf zum Verschwinden bringt, verleiht ihm das Banner am Max Liebermann Haus die verdiente weite öffentliche Sichtbarkeit.“19 Dabei wurde nicht nur erneut Zentrum (Wahrnehmbarkeit) gegen Peripherie (Marginalisierung) ausgespielt; in der Begründung der Maßnahme berief man sich zudem gerade auf die spezifische Örtlichkeit der Präsentation und eine aus dieser Örtlichkeit erwachsende „historische Verantwortung“.20 Als Teil einer Nachbarschaft, in der sich wie in keiner anderen der Stadt die Spuren von Diktatur, Krieg, Teilung und friedlicher Revolution symbolisch verdichten, sollte die Installation am (nach der Wende rekonstruierten) Max Liebermann Haus an die „verheerende Tradition“21 von Kunstzensur in Deutschland wie auch an den Kampf um „Freiheit“ gemahnen – womit avenidas nicht nur in der Mitte Berlins, sondern gleichsam auch im Zentrum deutscher Geschichte angekommen war.22

5.

Entstanden nur wenige Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs und der staatlich besiegelten Teilung Deutschlands und Europas, legt avenidas einen sprachlichen Reduktionismus an den Tag, den Gomringer gelegentlich selbst als Reflex von Erfahrungen der frühen 1950er Jahre – einer allenthalben von „leeren Stellen23 geprägten historischen Situation – gekennzeichnet hat. Von größerem Einfluss auf die Formierung seiner „Konstellationen“ waren indes Entwicklungen auf den Gebieten der bildenden Kunst und der Kommunikations- und Informationstheorie, mit denen Gomringer im Rahmen seiner Tätigkeit an der Hochschule für Gestaltung in Ulm in Berührung kam.24 Als Gastdozent für Ästhetik lehrte dort zur selben Zeit auch der Wissenschaftstheoretiker Max Bense, der sich unter anderem mit Möglichkeiten der „logischen Programmierung“25 von Dichtung auf der Basis statistischer Prinzipien beschäftigte und dabei vielfach auf experimentelle Schreibweisen der Nachkriegsära Bezug nahm. In seiner Theorie der Texte (1962) skizzierte Bense beispielsweise die Idee einer „Texttopologie“, die Texte als „Wortmengen“ begreift und unter dem Aspekt der in ihnen angelegten „materialen Nachbarschafts- bzw. Umgebungsbeziehungen“26 zwischen den einzelnen Wort-Elementen analysiert. Ausgehend von einer (mathematischen) Definition von Topologie als „allgemeiner Theorie des Benachbartseins“ sollten Texte so als Produkt bzw. „Ausdruck“ spezifischer Anordnungen von Wörtern in Form linearer „Wortfolgen“ oder flächiger „Wortkonstellationen“ beschreibbar werden, wobei vor allem die Anzahl der verwendeten Elemente, die Frequenz ihrer Wiederholung sowie ihre Zusammengehörigkeit in bestimmten „Wortklassen“ (d. h. Kategorien wie Substantiven, Adjektiven oder logischen „Konnektoren“) eine Rolle spielten.27 Nicht von ungefähr bezog Bense dabei den zentralen Begriff der Gomringer’schen Poetik in seine Terminologie ein; denn Gomringers Dichtung galt ihm als bevorzugtes Beispiel eines regelgeleiteten Programms ästhetischer Textproduktion, das auf der Zusammenstellung bestimmter Sets von Wörtern zu topologisch organisierten „Texträumen“ beruhte.28 Und nicht von ungefähr fand Gomringer umgekehrt in Benses Konzept von „ästhetischer Information“29 einen Referenzrahmen, um die poetische Funktion seiner Texte an formale Operationen wie „häufung, verteilung, analyse, synthese und rasterung von sprachlichen zeichen“30 zu knüpfen – und sie somit über die Bildung verbaler „schemata“31 zu begründen, wie er sie erstmals in Gestalt von avenidas erprobt hatte.

6.

Alice Salomon Hochschule
Alice-Salomon-Platz 5, Hellersdorf

In der 2017/2018 ausgetragenen Auseinandersetzung um Gomringers Gedicht spielten dessen formal-topologische Aspekte allerdings kaum eine – oder allenfalls eine indirekte – Rolle. Stattdessen wurde die Diskussion vor allem von rein semantisch orientierten Lektüren des Textes beherrscht, die um die Frage kreisten, welche Bezüge zu lebensweltlichen Erfahrungsräumen in avenidas auszumachen seien. Dies galt für den Vorwurf der sexistischen Herabsetzung von Frauen zu passiven Objekten männlicher Betrachtung ebenso wie umgekehrt für viele Versuche, das Gedicht gegen eben diese Anklage in Schutz zu nehmen. Als etwa im März 2018, einige Wochen nach den Aktionen des Springer-Verlags und der Stiftung Brandenburger Tor, die Wohnungsgenossenschaft Grüne Mitte ankündigte, avenidas in dauerhafter Form nach Hellersdorf zurückholen und auf öffentlich sichtbare Weise im Bezirk verankern zu wollen, begründete sie diesen Schritt mit der „Leichtigkeit“ und dem „Gefühl der Lebensfreude“,32 das aus Gomringers Zeilen spreche – gleichsam ein Reflex jener imaginativen Beziehung zu den Ramblas von Barcelona, wie sie dem Gedicht aufgrund seiner spanischen Originalfassung häufig zugeschrieben worden ist.

Doch nicht allein das mediterrane Flair der katalanischen Metropole, auch die Heftigkeit der gesamten um avenidas geführten Debatte erscheint weit entfernt, als ich das Mietgebäude der Grünen Mitte an jenem Sonntag im Februar 2021 selbst in Augenschein nehme. Von der Ecke Kyritzer Straße/Gothaer Straße fahre ich anschließend weiter zur Alice Salomon Hochschule, die nur wenige Autominuten entfernt an einer großen Kreuzung des Bezirks liegt. An der Südseite des Baus nimmt seit Herbst 2018 ein Gedicht der Autorin Barbara Köhler die Stelle von avenidas ein. Doch ist Gomringers Gedicht auch hier nicht einfach abwesend. Am Fuß der Fassade findet es sich nun, zusammen mit einer Stellungnahme des Dichters zur Debatte, auf einer kleinformatigen Metalltafel wieder. Und nicht nur das: Köhlers Text wurde grafisch so gestaltet, dass ihm – gleichsam im Innern seiner eigenen Zeilen – die Spuren von avenidas auf sichtbare Weise eingeschrieben bleiben (Abb. 2). In den Konturen der neu angebrachten Buchstaben zeichnen sich, qua farblichem Kontrast, die Umrisse von Gomringers Gedicht in bruchstückhafter Weise wieder ab: eine neue Konstellation von Wörtern in Nachbarschaft.

Abb. 2, Foto: Tobias Wilke

  1. Wohnungsgenossenschaft Grüne Mitte: „Offener Brief an die Hochschulleitung der Alice Salomon Hochschule Berlin“, Stimme der DDR, 19.02.2019, https://wp.stimmederddr.de/wp3/wp-content/uploads/2019/03/2019_02_19_Offener-Brief-Grüne-Mitte-an-die-ASH_Gedicht-avenidas.pdf (letzter Zugriff am 01.03.2021).
  2. Vgl. Eugen Gomringer: „ciudad“, in: spirale: internationale zeitschrift für junge kunst 1 (1953), o. S. In späteren Publikationen erschien das Gedicht ohne separat stehenden Titel und wurde fortan meist unter der Bezeichnung „avenidas“ geführt. Vgl. Eugen Gomringer: worte sind schatten: die konstellationen 1951–1968, Reinbek bei Hamburg 1969, S. 107.
  3. Das Manifest wurde erstmals am 01.08.1954 in der Neuen Zürcher Zeitung veröffentlicht. Es wird hier nach der Fassung zitiert, die ein Jahr darauf in der von Max Bense edierten Zeitschrift augenblick erschien. Vgl. Eugen Gomringer: „vom vers zur konstellation: zweck und form einer neuen Dichtung“, in: augenblick: Aesthetica, Philosophica, Polemica 1:2 (1955), S. 20–21.
  4. Vgl. ebd., S. 21: „mit der konstellation wird etwas in die welt gesetzt, sie ist eine realität an sich“.
  5. „vom vers zur konstellation“ wird in der Regel als eines der Gründungsmanifeste der Konkreten Poesie angesehen, wenngleich Gomringer diesen Begriff hier selbst noch nicht verwendet. Explizit zu eigen machte er sich das Konzept erst im Rahmen des 1956 verfassten Textes „konkrete dichtung“, der als Einleitung zu einer (nicht realisierten) Anthologie gedacht war. Vgl. Eugen Gomringer: „konkrete dichtung (als einführung)“, in: Theoretische Positionen zur Konkreten Poesie, hg. von Thomas Kopfermann. Tübingen: Niemeyer 1972, S. 38–41.
  6. Eugen Gomringer: „konkrete dichtung (als einführung)“ (Anm. 5), S. 39.
  7. Eugen Gomringer: „konkrete dichtung (als einführung)“ (Anm. 5), S. 39.
  8. Eugen Gomringer: „konkrete dichtung (als einführung)“ (Anm. 5), S. 39.
  9. Hildburg Bruns: „Axel Springer zeigt, was die Berliner nicht sehen sollen“, B.Z., 24.01.2018, https://www.bz-berlin.de/berlin/dieses-gedicht-darf-nicht-uebermalt-werden (letzter Zugriff am 01.03.2021).
  10. So der Wortlaut des zugehörigen Tweets vom 24.01.2018, vgl. https://twitter.com/axelspringer_EN/status/956211411377586176 (letzter Zugriff am 01.03.2021).
  11. Bruns: „Axel Springer zeigt, was die Berliner nicht sehen sollen“ (Anm. 9).
  12. Vgl. die Pressemitteilung des Akademischen Senats der Hochschule vom 23.01.2018, tinyurl.com/ashbeschluss (letzter Zugriff am 01.03.2021).
  13. So zitiert u. a. in Gregor Dotzauer: „Alleen nach nirgendwo“, Der Tagesspiegel, 25.01.2018, https://www.tagesspiegel.de/kultur/avenidas-von-eugen-gomringer-alleen-nach-nirgendwo/20890452.html (letzter Zugriff am 01.03.2021).
  14. Der Pressespiegel auf der Homepage der Alice Salomon Hochschule, der die Fassadendebatte dokumentiert, verzeichnet für den Zeitraum von Sommer 2017 bis Sommer 2018 mehr als 350 Beiträge in Printmedien und Rundfunk. Vgl. den Pressespiegel über die Debatte der Hochschulfassade, https://www.ash-berlin.eu/hochschule/organisation/referat-hochschulkommunikation/pressespiegel-fassadendebatte/ (letzter Zugriff am 01.03.2021).
  15. DW: „Axel-Springer-Haus bekommt eine LED-Werbewand“, Die Welt, 15.09.2005, https://www.welt.de/print-welt/article165095/Axel-Springer-Haus-bekommt-eine-LED-Werbewand.html (letzter Zugriff am 01.03.2021).
  16. Bruns: „Axel Springer zeigt, was die Berliner nicht sehen sollen“ (Anm. 9).
  17. Silke Müller: „Neues vom Berliner Gedichtekrieg: Warum Sprache eine gefährliche Sache sein kann“, Stern, 23.02.2018, https://www.stern.de/kultur/kunst/kommentar-zum-berliner-gedichtekrieg–warum-sprache-eine-gefaehrliche-sache-sein-kann-7875298.html (letzter Zugriff am 01.03.2021).
  18. Stiftung Brandenburger Tor: „Für die Freiheit der Kunst: Die Stiftung Brandenburger Tor präsentiert das Gedicht ciudad (avenidas) von Eugen Gomringer an der Fassade des Max Liebermann Hauses am Pariser Platz“, Pressemitteilung vom 21.02.2018, https://stiftungbrandenburgertor.de/wp-content/uploads/2018/03/Pressemitteilung_SBT_Pr%C3%A4sentation-von-ciudad-avenidas-am-Max-Liebermann-Haus.pdf (letzter Zugriff am 01.03.2021).
  19. Stiftung Brandenburger Tor: „Für die Freiheit der Kunst: Die Stiftung Brandenburger Tor präsentiert das Gedicht ciudad (avenidas) von Eugen Gomringer an der Fassade des Max Liebermann Hauses am Pariser Platz“ (Anm. 18).
  20. Stiftung Brandenburger Tor: „Für die Freiheit der Kunst: Die Stiftung Brandenburger Tor präsentiert das Gedicht ciudad (avenidas) von Eugen Gomringer an der Fassade des Max Liebermann Hauses am Pariser Platz“ (Anm. 18).
  21. Stiftung Brandenburger Tor: „Für die Freiheit der Kunst: Die Stiftung Brandenburger Tor präsentiert das Gedicht ciudad (avenidas) von Eugen Gomringer an der Fassade des Max Liebermann Hauses am Pariser Platz“ (Anm. 18).
  22. Entsprechende historische Referenzen – vor allem zur Zeit des Nationalsozialismus – kamen in der Kontroverse um die „Übermalung“ des Gedichts immer wieder zum Tragen. So etwa plante auch der Schriftstellerverband PEN, Gomringers avenidas an der Fassade seiner deutschen Verbandszentrale in Darmstadt anzubringen, um damit Unterstützung für „ein zu Unrecht verfolgtes Gedicht“ zu signalisieren. Heinrich Peuckmann, interviewt von Johannes Breckner: „PEN-Generalsekretär lobt Standort Darmstadt“, Echo, 29.07.2019 https://www.echo-online.de/kultur/kulturnachrichten/pen-generalsekretar-lobt-standort-darmstadt_20311548 (letzter Zugriff am 01.03.2021).
  23. Eugen Gomringer: „Zur Sache der Konkreten Poesie“, in: Deutschlandforschung 9 (2000), S. 281.
  24. Von 1954 bis 1957 fungierte Gomringer als Sekretär des Hochschuldirektors Max Bill, eines Mitbegründers der Konkreten Kunst.
  25. Max Bense: „Klassifikation in der Literaturtheorie“, in: augenblick: Tendenz und Experiment 3:2 (Mai 1958), S. 13.
  26. Max Bense: Theorie der Texte: Eine Einführung in neuere Auffassungen und Methoden, Köln 1962, S. 115.
  27. Vgl. Max Bense: Theorie der Texte: Eine Einführung in neuere Auffassungen und Methoden (Anm. 26), S. 109.
  28. Vgl. Max Bense: Theorie der Texte: Eine Einführung in neuere Auffassungen und Methoden (Anm. 26), S. 110 sowie, mit namentlichem Bezug auf Gomringer, auch S. 114.
  29. Für eine exemplarische Definition vgl. Bense: „Klassifikation in der Literaturtheorie“ (Anm. 9), S. 8. Zu Gomringers Aufnahme des Konzepts vgl. Gomringer: „konkrete dichtung“, S. 39–40.
  30. Eugen Gomringer: „konkrete dichtung (als einführung)“ (Anm. 5), S. 39.
  31. Eugen Gomringer: „konkrete dichtung (als einführung)“ (Anm. 5), S. 39.
  32. Vgl. dazu den Offenen Brief der Wohnungsgenossenschaft vom 19.02.2019 (Anm. 1).

Weitergehen

Wohnblock

Wie haben sie das zerstörerische Jahrhundert durchlebt, dessen Zeugen die beschädigten Gebäude sind, die klaffenden Löcher, die seelenlosen Wohnblocks, die man in den 60er Jahren eilig hochgezogen hat, und die ihres Stucks beraubten Fassaden?

digital

Zudem haben neue (digitale) Kommunikationstechniken, der Strukturwandel und neue Mobilitätsmuster Nutzen und Funktion von Nachbarschaft als soziale Praxis und geteiltes Territorium stark verändert.

Lockdown

In den Wochen des zweiten Lockdowns seit November (den ersten habe ich im Süden Deutschlands verbracht) erlebe ich nun zum ersten Mal in Berlin mit, wie ein Kiez immer stiller wird…

Kreuzberg

Ich lebe jetzt in Kreuzberg direkt unter dem Dach.

Wirklichkeit

Wenn man so schreibt wie ich, nah an der Wirklichkeit, oft tagesaktuell, dicht dran am Erlebten, folgt daraus häufig fast zwangsläufig die Verwechslung von Literatur und Realität, von Autorinnen-Ich und Erzählerinnen-Ich.

Blicke

…dort begegnet er dem Blick des Gastes, der auf einem der Wartestühle an der Wand sitzt.

Architektur

Kunst und Architektur sollten in einer Synthese aufeinander abgestimmt sein

Passanten

Der Dramatiker Werner Schwab habe erzählt, dass er, in einem Souterrain aufgewachsen, immer nur die Beine der Passanten gesehen habe…

Grenzen

Today, while the frontier has been removed in Berlin’s inner city, a border still remains.

Zensur

Dazu hat die kulturpolitische Zensur bei DDR-Bürger*innen Fähigkeiten im Sprechen und Lesen zwischen den Zeilen hervorgebracht, die ich mir nicht mehr aneignen musste.

Peripherie

Die Spannung zwischen der Sichtbarkeit in der deutschen Peripherie und der Anonymität einer Großstadt wird in den Romanen an der generationellen Frage festgemacht.

Autoverkehr

Verirrt man sich jedoch in den Hinterhof, wo der ununterbrochene Autoverkehr zur leisen Geräuschkulisse wird, trifft man plötzlich auf einen zwischen den Bäumen sitzenden nackten jungen Mann.

leere Stellen

Die literarische Topographie von Libidissi ist suggestiv und detailreich, zugleich aber voller Lücken und Leerstellen.

Barcelona

In ihrer Mitte thront auf drei Hügeln das älteste Viertel, „das Goto“ (6), dessen Name Assoziationen an ‚gotische‘ Altstädte, etwa an das Barrio Gótico in Barcelona, erlaubt…

Mitte

in mitte sind die zu reichen, spandau wird ignoriert…

sexistisch

Die rumänischen Roma im Haus an der Ecke Geranienstraße/Hohe Straße sind den Nachbarn zu laut, zu schmutzig und außerdem homophob, transphob, sexistisch, toxisch.

Fassade

Unter dem Pflaster der Sand. Die Sonne steht direkt an den Fassaden.

Ästhetik

…die 1923 bei einem Spaziergang durch den Berliner Tiergarten ihre differierenden Visionen einer afroamerikanischen Ästhetik über den Rückgriff auf deutsche (männliche) Künstler diskutierten…

Hochhaus

Etwas weiter im Westen, am Fuß der Hochhäuser an der Leipziger Straße, wird unser Blick von einem Lichtspiel aus Bögen, Wellen, Kreisen und Kurven gefangen.

Sichtbarkeit

Die räumliche Verschiebung von der osteuropäischen Peripherie in das westeuropäische Zentrum erfolgt in der Spannung eines Paradigmas der Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit.

Gebäude

Bekommt nicht jeder Bau eines Tages Risse, durch die das Leben aus der Außenwelt eindringen, die Wände porös werden lassen und das vermeintlich stabile Gebäude zum Einstürzen bringen kann?

Buchstabe

Form, Größe, Ausdehnung und Klang der Buchstaben vermitteln also zugleich einen visuellen, olfaktorischen und auditiven Eindruck.

Brandenburger Tor

Die Farben der Ukraine sind seit Kriegsbeginn in der ganzen Stadt zu sehen, das Brandenburger Tor wurde für ein paar Abende in Ukraine-Farben getaucht.

Des Nachbars wegen soll man etwas leiden.

Wander, Deutsches Sprichwörter-Lexikon, 1873

Über das Projekt

Die Anthologie NACHBARSCHAFTEN, herausgegeben von Christina Ernst und Hanna Hamel, ist eine Publikation des Interdisziplinären Forschungsverbunds (IFV) „Stadt, Land, Kiez. Nachbarschaften in der Berliner Gegenwartsliteratur“ am Leibniz-Zentrum für Literatur- und Kulturforschung in Berlin. Seit 2019 erforscht das Projekt das Phänomen der Nachbarschaft in der Gegenwartsliteratur und bezieht dazu Überlegungen aus unterschiedlichen wissenschaftlichen Disziplinen mit ein. In der im November 2020 online gestellten Anthologie können Leser*innen durch aktuelle Positionen und Perspektiven aus Literatur und Theorie flanieren, ihre Berührungspunkte und Weggabelungen erkunden und sich in den Nachbarschaften Berlins zwischen den Texten bewegen.