Betrachten Sie diese Welt nicht als endgültige Form, sondern als einen Anfang,
als ein noch Vollziehbares.
Hans Scharoun, Rede zur Eröffnung des Wohnhochhauses ‚Julia‘ in Stuttgart, 1959

Die helle Stadtflur saugt das Sonnenlicht auf und wirft es mir ins Gesicht. Ein neuer Streifen ist erst kürzlich angelegt worden. Sanft abschüssig führt er mich vom Lärm der Potsdamer Straße auf eine etwas unschlüssig wirkende Gebäudegruppe zu, der weite Freiflächen vorgelagert sind. Rechts von mir startet ein Skateboarder, landet und stürzt. Er lacht, steht auf und lehnt sich an die warmen Steinplatten.

In seinem Rücken wächst ein goldenes Gebirge. Die Wellenformen des Dachs könnten einem Skateboard-Traum entsprungen sein. Naheliegender ist die maritime Kulisse Bremerhavens, deren Schiffe und Segel der Architekt Hans Scharoun in seiner Kindheit zeichnete, eine Faszination, die sein Werk prägt.1 Die Berliner Philharmonie bildet heute die dem Großen Tiergarten zugewandte Nordseite des als ‚Kulturforum‘ bezeichneten Areals an der Schnittstelle der Stadtteile Tiergarten, Mitte, Kreuzberg und Schöneberg. Das weitläufige Gebäude scheint in seine Umgebung hinauszuwachsen. In der Nachkriegsbrache der Sechzigerjahre machte die Philharmonie, nach Wiedererrichtung der benachbarten St. Matthäus-Kirche, den Anfang für ein neues Quartier, einen Steinwurf von Mauer und Grenztürmen entfernt. Über die Jahrzehnte folgten weitere Bauten, die in diesem kurzen Text unberücksichtigt bleiben. Mit Mies van der Rohes rechtwinkliger Neuer Nationalgalerie entstand ein stilistisches Gegenstück. Das Zusammenspiel zweier Hauptwerke der Nachkriegsmoderne wird in den kommenden Jahren durch einen Neubau auf der Sichtachse aufgehoben werden. Ein architektonischer Schlussstein soll das Ensemble vollenden. Als ich im Herbst diesen Ort aufsuche, um Fotos zu machen, fallen mir die großzügigen Freitreppen und Terrassen an der Außenhaut der Philharmonie auf. Ich hatte vergessen, wie die Treppen an mehreren Seiten des Gebäudes direkt vom Bürgersteig auf die erhöhten Plattformen führen. Sie scheinen eine Fortsetzung des Foyers nach außen, in die Stadt hinaus, zu bilden. Auch ohne Konzertkarte besuche ich die Philharmonie, betrete das Gebäude, ohne durch eine Tür zu gehen. Nur vereinzelt treffe ich auf andere Menschen. Nach einer Weile füllt sich der Innenraum mit Licht, die ersten Konzertbesucher:innen nähern sich über den weitläufigen Platz.

Was hier beginnt, ist das Wirklichwerden eines gesellschaftlich Neuen, das dem Freiheitlichen in mitmenschlichem Beieinander Gestalt schenkt. […] Raum kann uns voreinander verbergen, auch indem er uns nach Rängen und Klassen verteilt; Raum wiederum kann auch unser Geborgensein gründen, indem er uns eingliedert.2

Adolf Arndt, Senator für Wissenschaft und Kunst, sieht 1963 in dem Neubau nicht weniger als den gebauten Raum einer besseren Gesellschaft. Während eines Konzertbesuchs in der Philharmonie, in deren Sälen die Bühne den räumlichen Mittelpunkt bildet, wird diese Idee lebendig, das Publikum scheinbar zu einer Gemeinschaft von Gleichen, der Musik und einander zugewandt. Scharoun hebt die hierarchisierte Unterteilung des Konzertsaals auf, die Theodor W. Adorno in seinem Essay zur „Naturgeschichte des Theaters“ als Abbild der Klassengesellschaft beschreibt. Mit diesem Bild verbindet Adorno die Hoffnung auf ein Aufbrechen der versteinerten Strukturen und eine „Vereinigung von Szene und Wirklichkeit“.3 Doch in der Eröffnungsrede des Berliner Senators werden die Widersprüchlichkeit des gesellschaftlichen Raums, seine inneren Grenzziehungen deutlich. Menschen werden hierarchisch voreinander verborgen, während sie zugleich in eben dieser Eingliederung geborgen sind.4 Was der Architektur der Konzertsäle gelingt, findet außerhalb keine soziale Entsprechung. Draußen bleibt Scharouns Anliegen Utopie. Auch die Großzügigkeit der Freitreppen und die von mir empfundene Nahbarkeit des Gebäudes können die Trennung zwischen der Szene eines bürgerlich geprägten Musikgenusses und der sie umgebenden Wirklichkeit der Stadtgesellschaft nicht aufheben.

Kunst muß, um es ganz zu werden, ihrem eigenen Formgesetz gemäß, autonom sich kristallisieren. Das macht ihren Wahrheitsgehalt aus; anders würde sie dem untertan, was sie, durch ihre schiere Existenz, verneint. Aber als von Menschen Verfertigtes ist sie diesen nicht gänzlich entrückt; enthält konstitutiv in sich das, wogegen sie sich wehrt.5

Diese Passage aus Adornos 1965 vor dem Deutschen Werkbund gehaltenen Rede beschreibt Kunst als eine notwendig diskrete Sphäre, die sich jedoch nicht ohne die Bedingungen ihrer Entstehung denken lässt. Dabei kommt Baukunst die Aufgabe zu, den Menschen in seinen Möglichkeiten zu befördern. In menschenwürdiger Architektur, so Adorno, kommt eine Vorstellung zum Ausdruck, die das menschliche Potential erkennt – „so, wie sie dem Stand ihrer eigenen, in der Technik verkörperten Produktivkräfte nach sein könnten.“6 Die ästhetische Theorie Adornos und die Architektur Scharouns gehen, auf unterschiedlichen Wegen, von einem nichtrationalen Verstehen aus, das im Vollzug von Erfahrung, im Betrachten des Objekts oder in der physischen Bewegung durch den Raum dessen Gehalt ergreift.7 Beide nehmen eine kritische Haltung gegenüber einer rationalistisch erfassten Welt ein, doch tun sie dies aus differenten persönlichen Erfahrungen heraus, haben ihre Gedanken unterschiedliche Implikationen.

Während des Nationalsozialismus lebte und arbeitete Scharoun in Deutschland. Er arrangierte sich mit den Machthabern. War es ihm in dieser Zeit auch nicht möglich, seine expressionistischen Konzepte der Weimarer Zeit umzusetzen, profitierte er doch finanziell von Auftragsarbeiten für eine überwiegend systemkonforme Klientel, etwa durch den Bau von Einfamilienhäusern.8

Als Jude endeten für Adorno 1933 die Möglichkeiten des Lebens und Arbeitens in Deutschland. Er ging ins Exil. Ende der Vierzigerjahre kehrte er zurück und richtete das Frankfurter Institut für Sozialforschung an dessen ursprünglichem Standort wieder ein, in einer Gesellschaft, die den Zivilisationsbruch der Shoah und die eigene Täter:innenschaft lange verschwieg.

Während Scharouns Wirken Kultur als Agens eines besseren Sozialen versteht, ist Adornos Sicht dem diametral entgegensetzt: In der modernen Massengesellschaft bestehen faschistoide Strukturen auch nach 1945 fort, wird individuelle Kreativität einer gleichmachenden Kulturindustrie geopfert.9 In ihren ästhetischen Überlegungen stimmen beide darin überein, dass der Gehalt eines Kunstwerks, hier der Zweck eines Gebäudes, seine Form hervorbringt, was eine Spannung zwischen Gehalt und Form begründet.10 Doch in diesem Spannungsverhältnis ist „keine Form [] gänzlich aus ihrem Zweck geschöpft“, ebenso wenig wie eine Zweckform ohne künstlerische Erfahrung entstehen kann.11 Adorno erläutert dieses Verhältnis ganz konkret am Beispiel von Scharouns Konzerthaus:

Große Architektur empfängt ihre überfunktionale Sprache, wo sie, rein aus ihren Zwecken heraus, diese als ihren Gehalt mimetisch gleichsam bekundet. Schön ist die Scharounsche Philharmonie, weil sie, um räumlich ideale Bedingungen für Orchestermusik herzustellen, ihr ähnlich wird, ohne Anleihen bei ihr zu machen. Indem ihr Zweck in ihr sich ausdrückt, transzendiert sie die bloße Zweckmäßigkeit […].12

Mit Adorno formuliert, vollbringt die Berliner Philharmonie eine Mimesis ihrer baulichen Form an die Musik, worin sich ihr Gehalt ausdrückt, und wird auf diese Weise zu einem baukünstlerischen Werk. Doch Adorno weist auch darauf hin, wie ein in seiner Einheit überzeugendes Kunstwerk in dieser Eigenschaft stets eine gewaltsame Vereinheitlichung der Vielheit der in ihm enthaltenen künstlerischen Einzelimpulse vornimmt.13 Diese Erkenntnis stellt wiederum Scharouns Anspruch einer offenen, demokratische Differenz ermöglichenden Architektur infrage:

Die Vorstellung von Größe pflegt das Einheitsmoment als solches zu begleiten, zuweilen auf Kosten seiner Relation zum Nichtidentischen; dafür ist der Begriff von Größe in der Kunst selbst fragwürdig. Die autoritäre Wirkung großer Kunstwerke, zumal solcher der Architektur, legitimiert sie und verklagt sie. Integrale Form verschlingt sich mit Herrschaft, obwohl sie diese sublimiert […].14

Auf einem Forum als öffentlichem Raum finden Vorgänge des gesellschaftlichen Lebens statt. Das Forum ermöglicht dieses Soziale, ohne zuvor nach dessen Ergebnissen zu fragen. Es fordert nicht. So bietet das Berliner Kulturforum, einem Zitat Scharouns folgend, einen Möglichkeitsraum für das noch Vollziehbare.15 Städtebauliche Kontingenzen, gescheiterte Planungen eröffnen Handlungsspielräume für ungeplante Versammlungen. Unangemeldeter Besuch stellt sich ein. Vielleicht ist an Utopien nicht bloß das interessant, was sie als Vision vorstellen. Vielleicht lohnt der Blick auf ihr Nicht-Gedachtes. Ihr Anders-Werden ermöglicht andere Orte. Zu einer bürgerlich geprägten Musikkultur gesellt sich eine Jugend- und Straßenkultur. Aus dieser Perspektive wäre die Absicht einer gesellschaftsstiftenden und Kreativität fördernden Architektur durchaus nicht gescheitert. Form ist bei Scharoun nicht endgültig, sie soll „Raum lassen für die Improvisation“.16 Er hat einen Anfang gemacht.

Hermann Parzinger, Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, spricht mit Blick auf die Errichtung eines neuen Museumsbaus zwischen Scharoun und Mies von der „Vollendung“ des Kulturforums „nach Jahren fruchtloser Debatte“.17 Doch ist eine unvollendete Debatte nicht gerade Ausdruck der demokratischen architektonischen Haltung Scharouns, dessen, was seine Bauten erst ermöglichen sollen? Kommen nicht Vollendung, Abschluss der Diskussion und Lückenschluss einer von Adorno konstatierten gesellschaftlichen Vereinnahmung durch Vereinheitlichung nahe? Was würde es bedeuten, das Kulturforum als ein gebrochenes Forum anzuerkennen, auf dem Verwerfungen zwischen gebautem Raum und gesellschaftlicher Realität lesbar werden, als einen Ort, der ebenso aus einer Vielheit historischer und gegenwärtiger Orte besteht, wie er als eine Vielheit historischer und fortlaufender Prozesse gelesen werden kann?

Schönheit heute hat kein anderes Maß als die Tiefe, in der die Gebilde die Widersprüche austragen, die sie durchfurchen und die sie bewältigen einzig, indem sie ihnen folgen, nicht, indem sie sie verdecken.18

Mit Adorno stellt sich die Frage, welche historischen und gegenwärtigen Widersprüche, die diesen Raum durchfurchen, bei einer ‚Vollendung‘ womöglich verdeckt werden. Vielleicht lässt sich seine Analyse auch als Aufgabe für ein Kulturforum und dessen gebaute Gebilde lesen. Ein Forum in seiner historischen Bedeutung ist ein Ort öffentlicher Aussprache, an dem Widersprüche ausgetragen werden.

Der Gedenk- und Informationsort für die Opfer der nationalsozialistischen ‚Euthanasie‘-Morde in der Tiergartenstraße 4 macht deutlich, dass hier auch die Abwesenden vor Ort sind. Eine repräsentative Stadtvilla, in deren Räumen ein Massenverbrechen geplant wurde, lag am heutigen Vorplatz der Philharmonie. Scharouns Bau steht nicht auf einer Tabula rasa.

Der Wunsch nach einem radikalen Neuanfang ist zugleich Ausdruck gesellschaftlichen Schweigens. Die Philharmonie eröffnet 1963, der Gedenkort in seiner heutigen Form über ein halbes Jahrhundert später. Wo liegt das Forum, was ist sein Ort?

Die steinerne Weite leuchtet. Was sich auf ihr bewegt, ist der Sonne ausgesetzt. Mit blinzelnden Augen brauche ich einen Moment, um mich daran zu gewöhnen. An sonnigen Tagen bleiben doch einige Menschen auf dem oft menschenleeren Platz, legen ihre Rucksäcke ab, unterhalten sich und üben Bewegungsabläufe, Sprünge in der stillen Steinlandschaft. Die bebaute Brache der Gegenwart ist ein Treffpunkt der Skateboard-Szene. Steinerne Stufen haben einen Klang. Die Boards bringen die Freitreppen zum Sprechen. Sie bespielen die Außenhaut der Philharmonie und verbinden das im Innern so wunderbar klingende und funktionierende Gebäude mit der Stadt. Sie geben ihm einen Ort, weil es ihr Ort ist.

Ich blinzle und gehe weiter. Ein Skateboarder fliegt hoch, landet und stürzt. Er steht auf und lehnt sich an die warmen Steinplatten. Seine Finger berühren einen struppigen grünen Strauch, der aus einer Fuge wächst. Szene und Wirklichkeit.

  1. Vgl. Johann Friedrich Geist/Klaus Kürvers/Dieter Rausch (Hg.): Hans Scharoun. Chronik zu Leben und Werk, Berlin 1993.
  2. Adolf Arndt: Zur Eröffnung der neuen Philharmonie (1963), Berlin 1964, zit. nach Jörg C. Kirschenmann/Eberhard Syring: Hans Scharoun. Die Forderung des Unvollendeten, Stuttgart 1993, S. 23.
  3. Theodor W. Adorno: „Naturgeschichte des Theaters“, in: ders.: Gesammelte Schriften, Bd. 16: Musikalische Schriften I‑III: Quasi una fantasia (II.), Frankfurt a.M. 1990 (1978), S. 309–320, hier S. 311.
  4. Arndt: Zur Eröffnung der neuen Philharmonie (Anm. 2), S. 23.
  5. Theodor W. Adorno: „Funktionalismus heute“ (1965), in: ders.: Ohne Leitbild. Parva Aesthetica, Frankfurt a.M. 1967, S. 104–127, hier S. 121 f.
  6. Ebd., S. 120.
  7. Theodor W. Adorno: „Voraussetzungen. Aus Anlaß einer Lesung von Hans G. Helms“ (1974), in: ders.: Gesammelte Schriften, Bd. 11: Noten zur Literatur, Frankfurt a.M. 1998, S. 431–446, hier S. 433.
  8. Vgl. Jörg C. Kirschenmann/Eberhard Syring: Hans Scharoun. Die Forderung des Unvollendeten, Stuttgart 1993, S. 153.
  9. Vgl. Max Horkheimer/Theodor W. Adorno: „Kulturindustrie, Aufklärung als Massenbetrug“ (1944), in: dies.: Dialektik der Aufklärung. Philosophische Fragmente, Frankfurt a.M. 2020, S. 128–176.
  10. Vgl. Adorno: „Funktionalismus heute“ (Anm. 5), S. 120.
  11. Ebd., S. 107 f.
  12. Theodor W. Adorno: „Ausdruck und Konstruktion“ (1970), in: ders.: Ästhetische Theorie, Frankfurt a.M. 1973, S. 72–74, hier S. 72 f.
  13. Vgl. Theodor W. Adorno: „Die Einheit und das Viele“ (1970), in: ders.: Ästhetische Theorie, Frankfurt a.M. 1973, S. 277–279, hier S. 278 f.
  14. Ebd., S. 279.
  15. Hans Scharoun: Rede zur Eröffnung des Wohnhochhauses ‚Julia‘ in Stuttgart, 12. September 1959, Berlin, zit. nach Markus Peter/Ulrike Tillmann: Hans Scharoun und die Entwicklung der Kleinwohnungsgrundrisse, Zürich 2020, S. 9.
  16. Ebd.
  17. o.A.: „Kosten- und Planungssicherheit: Spatenstich für das Museum des 20. Jahrhunderts der Nationalgalerie noch im Herbst. Pressemitteilung vom 17.09.2019“, Stiftung Preußischer Kulturbesitz, 17.09.2019, https://www.preussischer-kulturbesitz.de/pressemitteilung/artikel/2019/09/17/kosten-und-planungssicherheit-spatenstich-fuer-das-museum-des-20-jahrhunderts-der-nationalgalerie-noch-im-herbst.html (aufgerufen am 30.09.2022).
  18. Adorno: „Funktionalismus heute“ (Anm. 5), S. 127.

Weitergehen

Sonnenlicht

Endlich drückt man sich ins Freie, die Straße mit dem Verkehr springt einen wieder an, das Sonnenlicht blendet einen.

Lärm

Oder ich saß stundenlang im Garten, der an mindestens zwei Tagen der Woche von Fachpersonal in Schuss gehalten wurde, das mit motorisierten Geräten in ganz unterschiedlichen Größen hantierte, während ich in gewaltigen Mengen wässrigen Kaffee schlürfte und darauf wartete, dass der Lärm sich legte und der Nebel sich lichtete […].

Skateboard

Ebenfalls gut geeignet, Wutanfälle auszulösen: Kinder, die nicht grüßen, die das Treppengeländer runterrutschen, die Basketball im Hof spielen und vor dem Hauseingang Skateboard fahren […].

Gebirge

Über mir hatten die Wolken sich in voluminösen Shapes ineinandergeschoben und zu einem fantastischen Gebirge aufgetürmt, das in komplett unzugänglichen Formationen in den Himmel ragte

Architektur

…so würde man wohl am ehesten einen geodeterministischen Ansatz erwarten, der die Sandigkeit und die Sumpfigkeit Berlins von der Geologie in die Architektur, Ökonomie und Kultur überträgt…

Terrrasse

Es war die letzte Gelegenheit. Noch einmal oben um die Häuser. Ich bin raus auf die Terrasse und von der Terrasse rauf aufs Dach.

Hierarchie

Die für das belarussische System der staatlichen Sicherheitsorgane üblichen ideologischen Indoktrinationen und strengen Hierarchien, mit unbedingtem Loyalitätsanspruch, nahm er in Kauf.

Exil

Berlin als die „Stadt des Exils“ bleibt in Grjasnowas Texten als Nachbarschaftsraum ebenfalls sehr brüchstückhaft.

Baukunst

Über ihr sind mathematische Gleichungen, Kurven und Diagramme zu sehen, die auf die hochtechnologisierte moderne Baukunst verweisen.

Kreativität

Das Motto von Razam „Mit Kreativität gegen die Diktatur“ wurde nach dem 24. Februar sofort in tatkräftige humanitäre Hilfe in Form von Spendenaktionen und Organisation von Hilfstransporten für die Ukraine umgesetzt.

Kreuzberg

Es geht Richtung Hermannstraße. Richtung Hermannstraße fahre ich, wenn ich zu meiner Freundin K. in Kreuzberg fahre.

Schöneberg

auf der Roten Insel in Schöneberg höre ich ergriffen eine vielempfohlene Songwriterin im Duett mit einer DJane

Mitte

Was in Hellersdorf davorstand, den Blicken entzogen zu werden, sollte an der Grenze von Kreuzberg und Mitte (und zugleich: auf der früheren Grenze zwischen West und Ost) in einem symbolischen Akt des Widerstands umso größere – und digital vervielfachte – Wahrnehmbarkeit erlangen.

Einfamilienhäuser

Da aber soziale Ungleichheiten in Deutschland oft auch räumlich sehr nah bei- und nebeneinander existieren – wie etwa bei Eigentumswohnungen und Einfamilienhäusern auf der einen Straßenseite und sozialem Wohnungsbau oder informellen Siedlungen auf der anderen – heißt das nicht, dass Nachbar*innen die gegenseitige Anwesenheit begrüßen oder sich kennen lernen möchten.

Utopie

Es fügt sich nicht zu einer Utopie, nähert sich aber an, so weit es unter den gegenwärtigen Bedingungen möglich ist – in den Hochgebirgen der chinesischen Provinz Sichuan.

vereinzelt

Und doch wirken die Menschen in ihren Autos vereinzelt und anonym.

Tiergarten

Ich fühle mich hier ziemlich fehl am Platz, auf dem Mittelstreifen einer der vom Großen Stern ausgehenden, vielbefahrenen Straßen im Tiergarten.

Herbst

Jetzt, im Herbst, scheint alles in Bewegung. Der Wind rauscht durch die gelben Blätter, Kastanien plumpsen auf den Boden. Ein Geruch nach Erde und lebendiger Kühle.

Wohne immer im hässlichsten Haus der Straße — dann musst du es nicht so oft sehen.

David Hockney

Über das Projekt

Die Anthologie NACHBARSCHAFTEN, herausgegeben von Christina Ernst und Hanna Hamel, ist eine Publikation des Interdisziplinären Forschungsverbunds (IFV) „Stadt, Land, Kiez. Nachbarschaften in der Berliner Gegenwartsliteratur“ am Leibniz-Zentrum für Literatur- und Kulturforschung in Berlin. Seit 2019 erforscht das Projekt das Phänomen der Nachbarschaft in der Gegenwartsliteratur und bezieht dazu Überlegungen aus unterschiedlichen wissenschaftlichen Disziplinen mit ein. In der im November 2020 online gestellten Anthologie können Leser*innen durch aktuelle Positionen und Perspektiven aus Literatur und Theorie flanieren, ihre Berührungspunkte und Weggabelungen erkunden und sich in den Nachbarschaften Berlins zwischen den Texten bewegen.