Die vorbeifahrenden Autofahrer:innen mustern mich argwöhnisch. Ich falle auf. Den Überweg zur anderen Straßenseite habe ich verlassen. Ich stehe auf Pflastersteinen zwischen sechs Spuren Verkehr. Zwischen den Steinen: ein grüner Schimmer, Silbermoos in Trittpflanzengesellschaft. Es wächst neben einer Bananenschale und einem Taschentuch, die wohl aus Autofenstern flogen. Ich fühle mich hier ziemlich fehl am Platz, auf dem Mittelstreifen einer der vom Großen Stern ausgehenden, vielbefahrenen Straßen im Tiergarten.
Infrastrukturadern wie Autobahnen oder Straßen sind geplant glatte Räume des Transits. Ihr Zweck ist es, einen möglichst zügigen und reibungslosen Verkehr von Ort zu Ort zu ermöglichen. In der monotonen Bewegung in die eine oder in die andere Richtung performen die Autofahrer:innen einen gemeinsamen Rhythmus, der sie über Ampelphasen und Straßenschilder gleich werden lässt. Und doch wirken die Menschen in ihren Autos vereinzelt und anonym. Handelt es sich bei der Straße im Tiergarten also um einen modernen „Nicht-Ort“ im Sinne des Anthropologen Marc Augé?1 Mein störender Aufenthalt lässt mich in der Tat deren atmosphärische Realität spüren.
Die faschistische Monumentalarchitektur inmitten des Großen Sterns versucht, meinen Blick Richtung Siegessäule zu konzentrieren. Diesem Sog will ich mich entziehen. Ich suche nach dem diskreten Dazwischen, nach dem, was die Anthropologin Anna Tsing meint, wenn sie behauptet: „Jetzt, da die Fortschrittserzählungen an Wirkung verlieren, wird es möglich, die Dinge aus einer anderen Perspektive zu betrachten.“2 Ich beuge mich vor. Im Vergleich zur Siegessäule wirken die Pflanzen winzig und unbedeutend. Die Ökologin Robin Wall Kimmerer schreibt, dass man in der Größenordnung von Moos als circa zwei Meter großer Mensch in etwa so weit von ihm entfernt ist, als würde man von 10.000 Metern Höhe im Flugzeug auf Bäume auf dem Boden schauen.3 Aus der menschlichen Infrastruktur, dem banalen Netz der Pflastersteine wächst etwas mehr-als-menschliches ‚Wildes‘.4
Ich versuche mich in einer mir fremden Übung. Ich möchte entlang des 420 Meter langen Mittelstreifens dem Moos folgen. Der anderthalb bis zwei Meter breite, vom Verkehr gesäumte Streifen erlaubt mir lediglich eine linienförmige Bewegung. Inspiriert von der Landschaftsökologie und der Untersuchung von Pflanzen bediene ich mich der Methode des Transekts. Bei einem Transekt werden entlang einer geraden Linie Zusammenhänge zwischen Untersuchungsgegenständen und Raum analysiert. Aber mein botanisches Unvermögen schränkt das Unternehmen ein. Deswegen möchte ich es um sozioökologische Geschichten von Pflanze und Mensch ergänzen. Ich versuche, Teil der Trittpflanzengesellschaft zu werden und will Anonymität gegen Vertraulichkeit tauschen. Mit dem Geographen Matthew Gandy bemühe ich mich hier also um einen „queeren Transekt“: Ich treffe auf Pflanzengesellschaften, die in Multi-Spezies-Bewegungen verwickelt und in der Lage sind, verschiedene Diskurse miteinander zu verbinden.5
Porosität und Transgression
Das Silbermoos (Bryum argenteum) liebt eine solch stickstoffreiche Umgebung wie die auf dem Mittelstreifen. Die Abgase der Autos kann es gut vertragen und wahrscheinlich sogar zu seinem Vorteil nutzen.6 Zwischen den Pflastersteinen sammelt sich Wasser, das neben Schadstoffen auch wichtige Nährstoffe zusammenträgt.7 Auf kleinem Raum zusammengedrängt, kann das Silbermoos die Feuchtigkeit besser unter seinen Trieben verteilen und halten.8 Seinen Namen trägt es aufgrund der silberfarbigen Enden seiner äußersten Zellen, die bei Trockenheit absterben und es vor der Sonne schützen, der es hier besonders stark ausgesetzt ist.
Als Trittpflanzengesellschaften werden in der Biologie Gruppen von Pflanzen bezeichnet, die in Pflasterritzen, an der Bordsteinkante oder durch Risse im Asphalt wachsen. Sie sind eher als andere Pflanzen dazu fähig, Belastung durch den Menschen auszuhalten.9 Hier im Mittelstreifen leben gemeinsam mit dem Silbermoos vor allem Rispengras, Löwenzahn und niederliegendes Mastkraut.10 Im Allgemeinen passiert es nur selten, dass sich das Silbermoos geschlechtlich vermehrt. Für gewöhnlich vermehrt sich das Moos vegetativ. Das passiert, wenn Teile des Mooses durch eine Berührung abbrechen, an einen neuen Ort gelangen und sich daraus eine eigenständige Pflanze entwickelt. So können zum Beispiel Stücke von Silbermoos an Schuhsohlen haften bleiben und ein paar Meter weiter wieder abfallen.11 Gerade die Triebspitzen des Silbermooses brechen schnell ab und werden dann weitergetragen.
In diesem Wissen bekommt mein Laufen über den Mittelstreifen eine andere Qualität. Manchmal, so schreibt Gandy, wird der Transekt selbst zur Ökologie der Linie.12 Potentiell verbreitet jeder meiner Schritte das Silbermoos. Ich denke an Zeiten, in denen im Tiergarten protestiert wird, oder an Nächte, in denen der Verkehr zum Erliegen kommt und die menschlichen und nichtmenschlichen Bewegungen über den Mittelstreifen mehr werden. Dann verbinden die verwobenen Pfade einzelner Lebewesen städtische Räume und ihre Vegetationen miteinander. Jeder Schritt schreibt Geschichte(n).13 Es sind vegetierende Geschichten, sie beleben die Räume des Transits, ihre Straßen und deren Ränder.14 Sie entstehen gemeinsam und artenübergreifend.15 Diese Form der vegetativen Inter-Spezies-Fortpflanzung könnte verstanden werden als das Ereignis, das Tsing „Kontamination als Kollaboration“ nennt.16 So fransen Trittpflanzengesellschaften durch das Netzwerk der Pflastersteinritzen vom Tiergarten in die Umgebung aus.
In Trittpflanzengesellschaft durch die Stadt zu streifen verunreinigt das Narrativ des bürgerlichen, männlich-dominierten Flaneurs,17 wie es beispielsweise Benjamin beschreibt.18 Die Spontaneität der Bewegung ist mit der Spontaneität der Vegetation verbunden. Bewegung durch die Stadt ist vielfältig und schließt neben Schuhsohlen unter anderem auch Rollstuhl- und Fahrradreifen, Gehstockspitzen, aber auch Krähenfüße und Fuchspfoten mit ein. Der Begriff der Trittpflanzengesellschaft ist ohnehin ein aufgrund seiner Offenheit mehrdeutiger Begriff in der Biologie und könnte weiter geöffnet werden.19 Er wirft Fragen der Zugehörigkeit auf und widerstrebt einer einheitlichen Normierung. Die Pflanzen zwischen dem Pflaster sind meistens kosmopolitisch, ihre speziellen Gemeinschaften aber auch höchst ortsbezogen.20
Trittpflanzengesellschaften zeigen sich widerständig. Im Versuch, die Überwucherung durch größer wachsende Pflanzen zu unterbinden, bearbeitet die Berliner Stadtreinigung etwa mit ‚Unkrautbürsten‘ die Trottoirs.21 Diese Reinigungsarbeit22 verjüngt jedoch oftmals nur die Pflanzengesellschaften, die bald wieder zurückfinden oder gänzlich neu zusammenkommen. Einige, wie das Silbermoos, sind wegen ihrer geringen Größe besonders beständig und können Reinigungen gut überleben. Diese Störung der Nachfolge von anderen Pflanzen bedingt also zum Teil sein Vorkommen.23
Berliner Polyphonie
„Eben komme ich von einem einsamen Spazirgange aus dem Thiergarten zurük, wo ich Moose und Flechten und Schwämme suchte, deren Sommer jetzt gekommen ist. Wie traurig so allein herumzuwandern!“24 Alexander von Humboldt berichtet Ende Februar 1789 in einem Brief an einen Freund von seinen botanischen Untersuchungen im Tiergarten. Humboldt wäre eigentlich gern mit seinem Freund, dem Botaniker Carl Ludwig Wildenow, in den Tiergarten spaziert. Wildenow hatte zwei Jahre zuvor das Werk Florae Berolinensis prodremus veröffentlicht, das die bis dahin bekannte und identifizierte Flora Berlins zusammenfasst. Ende des 18. Jahrhunderts ist Wildenows Werk das erste seiner Art. Es enthält einen Eintrag zum Bryum Argenteum. Es soll „in Hülle und Fülle“ auf Ziegeln, Dächern, Hecken, Gärten, Feldern und Bäumen gewachsen sein.25
Dort, wo ich laufe, wurden die ersten Pflastersteine vermutlich erst ein paar Jahrzehnte später verlegt. Aber die zunehmende Urbanisierung war schon damals zu erkennen.26 Ab dem 18. Jahrhundert entwickelte sich der Tiergarten zum ersten öffentlich zugänglichen Park Deutschlands. Er erlebte über seine fast vollständige Abholzung im Zuge der kalten Winter nach dem Zweiten Weltkrieg einen großen Wandel, der bis heute fortwirkt. Durch den Parkdirektor Willy Alverdes, der die Wiederbepflanzung des Tiergartens ab 1950 plante, die in den 1960ern aufkommende Stadtökologie und die Arten- und Naturschutzgesetzgebungen der 1970 und 1980er Jahre konnte die Vegetation des Parks aus sich selbst heraus an Komplexität gewinnen.27 Die Landschaftsarchitektin Sandra Bartoli beschreibt, wie sich damals in Berlin ein Paradigmenwechsel vollziehen konnte, der den konventionellen Antagonismus zwischen Natur und Stadt aufgelöst zu haben schien. Doch die Besonderheit der städtischen Ökologie sei seit der Wende prekär: Sie würde von einer Art Fürsorge als ‚geplanter Vernachlässigung‘ abhängen. Ruderale, also spontane Vegetationen in ‚gestörten‘ Landschaften können jedoch zunächst einen banalen und wertlosen Eindruck machen, würden wie Reservoirs der urbanen Biodiversität funktionieren.28
Silbermoos besitzt wie andere Moosarten die Fähigkeit, sich auf glatteren Oberflächen zu halten. An ihrer unteren Epidermis wachsen Rhizoide, die sich die kleinste Unregelmäßigkeit der Oberfläche zunutze machen. Moose können auf diese Weise Orte besetzen, die anderen Pflanzen zu wenig Halt bieten. Unter Umständen sind sie Treiber für die Bodenbildung, die dann Grundlage für das Wachstum anderer Pflanzen ist.29 Die Stadtarchitektur wird durch Moose immer wieder spontan durchsetzt und verändert. So wird verständlich, was die Ökofeministin Donna Haraway meint, wenn sie sagt, Natur sei kein physischer Ort, zu dem gegangen werden könne.30 Natur von Stadt und Zivilisation zu trennen ist ein materiell-semiotischer Schnitt und keine Selbstverständlichkeit.
Moose sind Teil einer mehr-als-menschlichen Polyphonie der Stadt.31 Die räumlichen Choreographien der Autofahrer:innen in der Hofjägerallee sind in die Choreographien von Pflanzen und anderen Lebewesen verflochten. Auch wenn er nur peripher wahrgenommen wird, ist der grüne Schimmer Teil der Atmosphäre dieser Infrastruktur. So wird die Beschreibung Berliner Nicht-Orte als reibungslose, vereinzelnde Räume des Transits ruiniert. In jeder Fuge ist eine andere Geschichte zu finden.
Dieser Beitrag basiert auf einer künstlerischen Forschung, die Teil vom Zine #1 des X‑Tutorials „Kontaminiert Werden. Forschen in den Ruinen der Reinheit“ ist. Die Erzählung vom Mittelstreifen des Tiergartens ist nur eine im Wirbel der Geschichten, die im Wintersemester 2022/23 entstanden. Im Versuch, einen Feral Atlas für Berlin zu entwickeln, ist die folgende Publikation entstanden: https://www.yumpu.com/de/document/view/67534755/zine-1-de
- Marc Augé: Nicht-Orte, München 2010, insb. S. 90 f., 101.
- Anna Lowenhaupt Tsing: Der Pilz am Ende der Welt: Über das Leben in den Ruinen des Kapitalismus, Berlin 2020, S. 39.
- Robin W. Kimmerer: „Warum lohnt es sich, genau hinzuschauen? Pflanzenwissen. Sehen lernen“, in: Kathrin Meyer/Judith Elisabeth Weiss (Hg.): Von Pflanzen und Menschen. Leben auf dem Grünen Planeten, Göttingen 2019, S. 56–60, hier S. 59.
- Es handelt sich um eine der „‚feral‘ ecologies, that is, ecologies that have been encouraged by human-built infrastructures, but which have developed and spread beyond human control.“ Anna L. Tsing/Jennifer Deger/Alder Keleman Saxena/Feifei Zhou: Feral Atlas. The More-Than-Human Anthropocene, Stanford 2021, https://feralatlas.org/ (aufgerufen am 11.08.23).
- „To queer the transect is to destabilize the walking methodology from a variety of empirical and conceptual vantage points. The relevant insights from queer theory clearly extend beyond the identification of ‘queer space’, or the use of a transect to encounter traces of human sexuality, but rather serve to problematize a series of categorizations, taxonomies, and subjectivities. Queering the transect connects botanical practice with a series of posthuman and other-than-human critical discourses“. Matthew Gandy: Natura Urbana. Ecological Constellations in Urban Space, Cambridge 2022, S. 145.
- Jeff W. Bates: „Mineral nutrition, substratum ecology, and pollution“, in: Bernard Goffinet/A. Jonathan Shaw (Hg.): Bryophyte Biology, Cambridge 2008, S. 248–311, hier S. 284.
- Zur Akkumulation in halbversiegelten bepflasterten Städten in Berlin siehe Gerd Wessolek: „Sealing of soils”, in: John Marzluff/Eric Shulenberger/Wilfried Endlicher/Marina Alberti (Hg.): Urban Ecology, New York 2008, S. 161–179.
- Robin W. Kimmerer: Gathering Moss. A Natural and Cultural History of Mosses, London 2021, S. 98–99.
- Dietmar Brandes: Vegetationsökologie von Straßen und Plätzen im besiedelten Raum, 2016, http://www.ruderal-vegetation.de/epub/vegetationsoekologie_von_strassen.pdf (aufgerufen am 11.08.23).
- Diese Pflanzengesellschaft wird in der Biologie auch ‚Bryo-Saginetum procumbentis‘ genannt.
- Janice Glime: Bryophyte Ecology, 2021, S. 35, https://digitalcommons.mtu.edu/oabooks/4/ (aufgerufen am 11.08.23).
- Matthew Gandy: „Queering the transect“, in: ders./Sandra Jasper (Hg.): The Botanical City, Berlin 2021, S. 161–169, hier S. 164.
- Michel de Certeau beschreibt den „chorus of idle footsteps“ als widerständige Produktion von Geschichten gegen ein disziplinäres System. Michel De Certeau: The Practice of Everyday Life, Berkeley 2011, S. 96 ff.
- Das Wort ‚Vegetieren‘ lässt sich auf das lateinische Wort ‚vegetare‘ zurückführen, das ‚in Bewegung setzen, beleben, erregen‘ bedeutet. Vgl. o.A.: „Vegetieren“, Duden, https://www.duden.de/rechtschreibung/vegetieren (aufgerufen am 11.08.23).
- Vgl. der Begriff der ‚Sympoiesis‘ in: Donna Haraway: Unruhig bleiben. Die Verwandtschaft der Arten im Chthuluzän, Frankfurt/New York 2018, S. 50 ff., 72 ff.
- Tsing: Der Pilz am Ende der Welt (Anm. 2), S. 42–54.
- FLEXEN: Flâneusen* schreiben Städte zeigt die Vielfalt der Stimmen zahlreicher Flâneusen*, die dieses Narrativ in Frage stellen. Özlem Özgül Dündar/Mia Göhring/Ronya Othmann/Lea Sauer (Hg.): FLEXEN: Flâneusen* schreiben Städte, Berlin 2019.
- In diesem Kontext nimmt auch das ‚Botanisieren des Asphalts‘ bei Benjamin eine andere Qualität an – weniger Müßiggang als Kollaboration. Walter Benjamin: Passagen-Werk, in: ders.: Gesammelte Schriften, Bd. V, hg. von Rolf Tiedemann/Hermann Schweppenhäuser, Frankfurt a. M. 2001, S. 538.
- Vgl. Erich Oberdorfer: „Zur Syntaxonomie der Trittpflanzen-Gesellschaften“, in: Beiträge zur naturkundlichen Forschung in Südwestdeutschland, Bd. 30 (2), Karlsruhe 1971, S. 95–111; Rüdiger Wittig: Ökologie der Großstadtflora, Stuttgart 1991, S. 98 ff.
- Galinsoga parviflora wurde einst als botanische Rarität in die Sammlung des Botanischen Gartens gebracht, woraufhin sie rasch in die Berliner Flora entfloh und heute Teil von Trittpflanzengesellschaften sein kann. Julian Hees/Jonas Möller/Anna Romeo/Emil Widmer: Trans-plants and Translations: Green Becomings between Berlin Botanic Garden and Urban Flora Berlin, Berlin 2023; Herbert Sukopp: „Botanische Gärten und die Berliner Flora“, in: Willdenowia, Bd. 36.1 (2006), Special Issue: Festschrift Werner Greuter, hg. von Harrie Sipman, S. 115–125.
- Bis 2017 nutzte die BSR selten auch das umstrittene Herbizid Glyphosat, das mit einer Walze auf Spazierwege aufgestrichen wird. Zum Zeitpunkt des Verzichts beteuert eine BSR-Sprecherin: „Wir werben parallel dazu für mehr Toleranz bei etwas mehr Grün in der Stadt.“, „BSR verzichtet auf umstrittenes Pflanzengift Glyphosat“, Morgenpost, 20.04.2017, https://www.morgenpost.de/berlin/article210313679/BSR-verzichtet-auf-umstrittenes-Pflanzengift-Glyphosat.html (aufgerufen am 11.08.23).
- Bruno Latour: Wir sind nie modern gewesen. Versuch einer symmetrischen Anthropologie, Frankfurt a. M. 2008. Reinigungsarbeit schafft Diskontinuitäten aber auch Hybridisierungen von Natur und Kultur. Das Konzept von Latour kann auf städtische (Reinigungs-) Praktiken zwischen Pflanze und Mensch übertragen werden.
- Der Biologe Rüdiger Wittig unterstreicht die Wichtigkeit der anthropogenen Störung der Sukzessionsfolge für den Erhalt der Trittpflanzengesellschaften. Sie würden sonst schnell von größeren Pflanzen verdrängt werden. Wittig: Ökologie der Großstadtflora (Anm. 19), S. 157.
- Alexander von Humboldt (1789): Jugendbriefe an Wilhelm Gabriel Wegener, hg. von Albert Leitzmann, Leipzig 1896, S. 43.
- Carl Ludwig Wildenow: Flora Berolinensis Prodromus, Berlin 1787, S. 329, https://digital.zlb.de/viewer/resolver?urn=urn:nbn:de:kobv:109–1‑13424386 (aufgerufen am 11.08.23), übers. von Jann Mausen.
- Die Hofjägerallee entstand erst 1832/33. Vgl. o.A.: „Hofjägerallee“, Kauperts Straßenführer durch Berlin, https://berlin.kauperts.de/Strassen/Hofjaegerallee-10785-Berlin#Geschichte (aufgerufen am 11.08.23).
- Sandra Bartoli: „From Tiergarten’s Plant Societies and Berlin’s Biotope Map to a Map of neglect“, in: dies./Jörg Stollmann (Hg.): Tiergarten landscape of transgression (this obscure object of desire), Zürich 2019, S. 220–233.
- ebd., S. 233.
- o.A.: „Pionierpflanzen“, Spektrum, 1999, https://www.spektrum.de/lexikon/biologie/pionierpflanzen/51924 (aufgerufen am 11.08.23).
- Donna Haraway: „The Promises of Monsters: A regenerative Politics for Inappropriate/d Others“, in: Lawrence Grossberg/Cary Nelson/Paula A. Treichler (Hg.): Cultural Studies, New York 1992, S. 295–336, 296.
- Kimmerer schreibt, Moos erkennen zu lernen lässt sich besser mit einer Metaphorik des Hörens als der des Sehens beschreiben. Moose seien nicht wie Fahrstuhlmusik, sie seien eher wie die verschlungenen Fäden eines Beethoven-Quartetts. Kimmerer: „Warum lohnt es sich, genau hinzuschauen?“ (Anm. 3), S. 11. Auch Anna Tsing verweist darauf, dass kontaminierte Diversität am ehesten als Polyfonie verstanden werden kann. Tsing 2020, S. 41 f.
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vereinzelt
Nur vereinzelt treffe ich auf andere Menschen.
Moos
[…] wo ich viel später, in einer nachmaligen Existenz, manchmal über einen Hinterhof ging, dessen Katzenkopfpflaster moosig-grün verfärbt war, um dort eine rechtens so geheißene Stiege zu einer Wohnung hinaufzusteigen […].
Nicht-Ort
Dieser Übergangsraum, auch ein Nicht-Ort im Sinne Marc Augés, steht für die Kontinuität der sozialen Strukturen, mit denen die jüdische Familie Tschepanow in der Sowjetunion klarkommen musste.
Pflanzen
Im Garten war es auffallend kühl, mehrere schlanke Bäume, von denen ich nur eine Weide mit einiger Sicherheit identifizieren konnte, warfen Schatten, die Pflanzen hatten den Garten vollständig okkupiert.
Winter
Im ersten Winter kam sie [die Krähe] hin und wieder in Begleitung eines Artgenossen. Im Frühling beobachtete ich die beiden im gegenüberliegenden Garten.
Bordsteinkante
In der Kita baut es Freundschaften und Bindungen auf, das Kind lernt das Viertel kennen, in dem es wohnt, Spielplatz, Kaufhalle, Bordsteinkante.
Spaziergang
Auf zwei Aspekte kann man am Ende dieses kurzen Spaziergangs durch Gabriele Tergits journalistische und literarische Nachbarschaften verweisen…
Marc Augé
Dieser Übergangsraum, auch ein Nicht-Ort im Sinne Marc Augés, steht für die Kontinuität der sozialen Strukturen, mit denen die jüdische Familie Tschepanow in der Sowjetunion klarkommen musste.
Tiergarten
Die Berliner Philharmonie bildet heute die dem Großen Tiergarten zugewandte Nordseite des als ‚Kulturforum‘ bezeichneten Areals an der Schnittstelle der Stadtteile Tiergarten, Mitte, Kreuzberg und Schöneberg.
Dächer
Man konnte über alle Dächer steigen. Einmal im Karree. Lüderitz, Kamerun, Togo, See.
Verkehr
The traffic there was so intense that Berlin became one of the first municipalities in the world to install traffic lights in 1924…
Vegetation
Im ersten Moment wollte ich umkehren, lief dann aber im Glauben, dass ich das Ende des Gartens eigentlich längst erreicht haben müsste, immer tiefer in die unübersichtliche Vegetation hinein, setze meinen Weg selbst dann noch fort, als der Regen einsetzte […].
In der Stadt lebt man zu seiner Unterhaltung, auf dem Lande zur Unterhaltung der anderen.
Oscar Wilde
Über das Projekt
Die Anthologie NACHBARSCHAFTEN, herausgegeben von Christina Ernst und Hanna Hamel, ist eine Publikation des Interdisziplinären Forschungsverbunds (IFV) „Stadt, Land, Kiez. Nachbarschaften in der Berliner Gegenwartsliteratur“ am Leibniz-Zentrum für Literatur- und Kulturforschung in Berlin. Seit 2019 erforscht das Projekt das Phänomen der Nachbarschaft in der Gegenwartsliteratur und bezieht dazu Überlegungen aus unterschiedlichen wissenschaftlichen Disziplinen mit ein. In der im November 2020 online gestellten Anthologie können Leser*innen durch aktuelle Positionen und Perspektiven aus Literatur und Theorie flanieren, ihre Berührungspunkte und Weggabelungen erkunden und sich in den Nachbarschaften Berlins zwischen den Texten bewegen.